Ärmelkanal 2003




Dienstag, 19. August

St. Helier Obwohl uns während der Nacht ein sonderbares Lichterkonglomerat zunächst Kopfzerbrechen und später ein großräumiges Ausweichmanöver bescherte (es handelte sich wohl um einen Manöververband der französischen Marine, wie eine entsprechende Funkwarnung vermuten ließ), treffen wir dank guten Vorankommens (das allerdings während der frühen Morgenstunden nur mit Unterstützung von Volvo Penta möglich war) schon während des Vormittagshochwassers im Yachthafen von St. Helier auf Jersey ein.

Unsere vorsichtige Planung hatte offen gelassen, dass wir möglicherweise erst während des nächsten Hochwassers am späten Abend die Barre queren könnten – also ein »geschenkter« Hafentag! Genutzt wird er zur Erkundung der Insel (Sandra und Gerald fahren sogar mit dem Bus an die Nordküste, Andreas zieht es zum Muschelsammeln an den Strand) sowie der Stadt und ihrer Einkaufsmöglichkeiten (Käse ist immer rar; Cheddar, Stilton und Konsorten finden reißenden Absatz …).

Abends, nach Öffnung des Sills, verfolgen wir von unseren Logenplätzen im Cockpit den Einzug der vom Warteponton ablegenden Boote: Etwa 30 Yachten strömen innerhalb weniger Minuten in die Marina.



Mittwoch, 20. August

Blister In der Umgebung von St. Helier herrscht Hafenknappheit – und so planen wir, im Anschluß an das lange anberaumte »große« Manövertraining wieder nach St. Helier zurückzukehren.

Ausgelaufen wird allerdings erst, nachdem Anna und Erik Fisch eingekauft haben – auch dies ein aus langer Hand geplantes Ereignis. Gegen 0930 kann’s dann losgehen (die Ausfahrt ist schon seit 20 Minuten offen – verschenkte Zeit, oh weh!), und nach Erreichen des freien Seeraums werden Bojen geschmissen, was das Zeug hält. Und sogar vollständig wieder eingesammelt ;-)

Unter Deck brutzelt Anna während dessen ihren Einkauf: In mehreren Schichten werden die vorzüglichen Brassen mit Zitronenbutter (leider nur ’ne halbe pro Kopf) und Kartoffelsalat dann verputzt, während an Deck weiter manövriert wird.

Guter Wind, gute Stimmung, gutes Essen. Ein guter Tag, dem wir noch ein Sahnehäubchen aufsetzen, indem wir auf der Rückfahrt Richtung St. Helier endlich den Blister aus seinem Sack lassen. Da stört es dann auch niemanden mehr, dass im Vorhafen noch ein halbes Stündchen auf dem Teller gedreht wird, ehe das Tor gegen 2130 öffnet.



Donnerstag, 21. August

Rauschefahrt Nach sorgfältiger Abwägung aller Eventualitäten besteht noch immer kein Konsens darüber, welches denn das Tagesziel sein soll. Also wird einfach losgesegelt, die Entscheidung vertagt. Und tatsächlich ist die Entscheidungsfindung kein Problem mehr, nachdem wir – kurzzeitig begleitet von einer ums Schiff tollenden Delphinschule – Jersey in deutlich schnellerer als erwarteter Zeit westlich gerundet haben: Die kleine Kanalinsel Sark soll es sein. Unter perfekten Bedingungen kann helmswoman Sandra die Insel bei 4 Bft. auf Voll-und-bei-Kurs direkt anliegen – Segelspaß pur!



Wassertemperatur Das Führen einer seegehenden Yacht ist eine komplexe Angelegenheit. Erfreulicherweise wird in unserer Zeit wenigstens das Sammeln der sicherheitsrelevanten Informationen durch die Elektronik wesentlich vereinfacht: Der Rudergänger hat die wichtigsten Werte stets im Blick.



Mooring Schon am frühen Nachmittag erreichen wir die avisierte Bucht, und siehe da, es ist noch genau eine Mooring frei – also nix wie ran.

Schnell ist das Dinghi klar, und die ersten Erkundungsgänge starten. Sark ist autofrei, und die Landgänger fühlen sich zwischen den Pferdegespannen um 100 Jahre zurückversetzt – einzig die Lebensmittelpreise erinnern ans 22. Jahrhundert.

An Bord wird wieder einmal Petri Heil beschworen, allerdings nach wie vor ohne Erfolg. Parallel dazu wird das Geheime Shrimp Kommando tätig – mit umso größerem Erfolg :-)



Plansch Ebenso von Erfolg gekrönt ist augenscheinlich Andreas’ Badeversuch, und auch Sandra, Gerald und Daniel krönen ihren Landgang mit einem kurzen Bad.



Bucht Sark Netterweise überredet mich Andreas am späten Nachmittag doch noch zu einem Landgang.

Wir erklimmen zunächst das Inselplateau, um uns daraufhin entlang der Abrisskante nach Süden zu bewegen. Das angesteuerte Leuchttürmchen im Hang befindet sich leider auf großräumig eingezäuntem Terrain, so dass uns neben der spektakulären Aussicht auf »unsere« Bucht, die französische Küste und den tollen Abendhimmel in erster Linie das Sammeln von Brombeeren beschäftigt; bis zum Besteigen des Dinghis haben wir immerhin meinen Hut (das einzig greifbare Behältnis, ausgelegt mit Papiertaschentüchern) gefüllt.



Freitag, 22. August

Letzter Schlag Um 0620 fällt die Mooringleine. Mutmaßlich wollten die Skipper endlich einmal alleine segeln, doch die zuständige Wache erscheint nur Minuten später an Deck – Pech! Immerhin stehen jetzt genügend Hände zum Aufklaren zur Verfügung, denn im Rahmen des Blitzstarts ist das Dinghi noch an Deck verzurrt, und auch sonst gibt es noch manches zu schalten und walten. Allgemeine Entzückung ruft kurze Zeit später das Frühstück mit frisch gekochtem Grießbrei und Brombeeren hervor.

Ein schneller Schlag zum Festland sollte es werden – doch zum Abschied wird es nochmal richtig trübe. Das letzte MOB-Training (diesmal bei immerhin 5 Bft.) wird abgebrochen, als hinter uns aus dem Nichts eine Schnellfähre auftaucht; unter diesen Umständen sollte man sich wohl doch eher auf Ausguck, Schallsignale, Navigation und Radar konzentrieren. Und tatsächlich: Nach einigen Wenden und Kurskorrekturen tauchen aus dem Nebel die Molenköpfe des Hafens von Diélette auf, und sogar die Barre ist bereits passierbar – einzig die Tankstelle ist verwaist. Doch nach mehrfachem Hilferuf über Funk sowie einer geraumen Wartezeit lässt sich der Tankwart endlich blicken.

Das folgende Anlegemanöver funktioniert leider überhaupt nicht so, wie ich mir das vorstelle: Gegen den Radeffekt bei leichtem Seitenwind dreht das Heck nicht einmal bei 2 kn Achterausfahrt vernünftig in die Boxengasse ein. Nach mehreren erfolglosen Versuchen und der einen oder anderen Schweißperle auf der Stirn der Skipperin übergebe ich Erik das Ruder – beruhigenderweise gelingt ihm das Manöver auch nicht wie geplant, aber auf die Idee, das ganze noch mal mit dem Radeffekt zu versuchen, hätte ich wohl auch kommen können.

Schließlich liegen wir nach 562 geloggten Meilen endgültig in der Box, und es geht ans Räumen und Putzen. Zur Belohnung ein nettes gemeinsames Abendessen in einem kleinen Restaurant oberhalb der Marina (leider nicht mehr auf Bordkasse …), danach noch ein Glas Wein im Cockpit – und das war’s dann wohl :-/



Samstag, 23. August

Die Crew Nach letzten Putzaktionen trifft gegen 1100 die neue Crew aus Berlin ein. Nach Bepacken der Autos und Zubereitung von Fahrtproviant gibt’s nur noch eine Amtshandlung: Das offizielle Crewfoto.

Jeweils von links:
Vorne: Mathias, Thorsten, Andreas.
Mitte: Katja, Daniel, Sandra.
Hinten: Anna, Erik, Wolfgang, Gerald.
Foto: Andreas Siemoneit (Danke!)

Während wir die Autos besteigen, überschlägt Katja routiniert die Ankunftszeit in Berlin: Gegen 28 Uhr müssten wir’s geschafft haben – doch leider wird es 30 Uhr sein, ehe ich sie als Letzte zu Hause absetzen kann …




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