»Am Samstag durch den NOK«, so lautete das Ziel für den Beginn des Törns – und es hat geklappt: Anreise nach Burgtiefe auf Fehmarn am Freitag morgen (unsere beiden »Frankfurter« sind schon am Donnerstag angereist, um das Schiff zu übernehmen), dann schnelles Stauen von Gepäck und Lebensmitteln, um so bald wie möglich den Nordwind für die etwa 40 Meilen nach Kiel zu nutzen. Sogar im Schießgebiet Todendorf ist kein Betrieb, so dass wir auf direktem Wege in die Förde rauschen und gegen 2215 im Yachthafen vor der Alten Schleuse in Holtenau festmachen können.
Am Samstag ist dennoch frühes Aufstehen angesagt, schließlich darf der Nord-Ostsee-Kanal von Sportbooten nur tagsüber befahren werden, und diese Zeitspanne wollen wir bestmöglich nutzen. Offizieller Beginn der Tagfahrzeit ist 0600, und ebendann funken wir erwartungsvoll den Schleusenmeister an. Und werden erstmal vertröstet: In der Schleuse sei es noch zu dunkel, wir möchten uns doch noch eine »kleine Stunde« gedulden. Doch nach einer sehr kleinen Stunde von etwa 20 Minuten ist es so hell, dass wir uns nicht mehr abwimmeln lassen; auf eine neuerliche Funkanfrage werden wir angewiesen, uns an einen gerade in die Schleuse einlaufenden Containerfrachter anzuhängen, der uns wenige Minuten später in die Südkammer der Neuen Schleuse geleitet.
Festgemacht wird an einem schmalen Schwimmsteg, der ausschließlich Sportbooten vorbehalten ist – und praktischerweise genau unterhalb des Zeitungskioskes liegt, an dem auch die Gebühren für Schleusungen und Kanalfahrt zu entrichten sind (35,– €). Zu uns gesellen sich noch ein paar weitere Sportboote sowie drei oder vier Frachter der 100–150m-Kategorie; dennoch wirkt die mächtige Schleusenkammer noch halb leer …
Obwohl der zu überwindende Niveauunterschied minimal ist, dauert bei diesen Dimensionen alles seine Zeit, so dass wir zunächst in Ruhe weiter frühstücken und uns an den Schattenspielen auf der gegenüberliegenden Schleusenmauer erfreuen können. Als sich aber schließlich das kanalseitige Schiebetor öffnet, kommt der Schleusenwärter noch persönlich aus seinem Container und verkündet Unerfreuliches: Im Kanal herrscht noch Nebel – wir dürfen nicht weiter. Kurzerhand werden wir noch zum »Rudelführer« der Sportboote ernannt, da wir offenbar die einzigen sind, die ein Funkgerät an Bord haben und dieses auch bedienen können …
Also raus aus der Schleuse, ran an den erstbesten Schlengel im Kanal. Nach 10 Minuten riskieren wir die erste Anfrage bei Kiel Kanal III, der für den ersten Kanalabschnitt zuständigen Verkehrszentrale – und bekommen grünes Licht für die Weiterfahrt!
Die Nadel des Drehzahlmessers steht auf 2500, die Logge zeigt 8 Knoten – schnelle Marschfahrt, 50 Meilen Kanal voraus.
Schön ist das nicht, aber immerhin laufen wir genau mit den erlaubten 15 km/h. Und trotz enormer Geräuschkulisse kehrt zum ersten Mal auf dem Törn ein wenig »Ruhe« ein: Als Deckswache genügt ein Rudergänger, und auch dieser wird nicht wirklich gefordert. So wird bei herrlichem Wetter das Schiff kennengelernt und ausgiebig gekocht, und auch das Schlafdefizit des einen oder anderen Crewmitglieds kann erfolgreich bekämpft werden.
Ein weiterer Trost ist das schnelle Vorankommen: Obwohl die dicken Pötte regelmäßig in die Weiche müssen, dürfen wir nonstop durchdieseln – als Sportboot kann man sich eben immer noch durchquetschen, selbst wenn man sich die Kanalbreite mit einem großen Frachter und einem Lotsenboot teilen muss …
Tatsächlich können wir uns schon gegen 1600 zum Ausschleusen in Brunsbüttel anmelden – und dürfen ohne Wartezeit in die Südkammer der alten Schleuse. Besser kann man durch den NOK wohl nicht durchkommen!
Zur Belohnung gibt es im Anschluss eine sportliche Kreuz die Elbe herunter bis nach Cuxhaven. NW 4 und mitlaufender Strom bringen uns zügig voran, so dass wir schon gegen 1900 einen Fingersteg im Yachthafen besetzen können – und es reicht sogar noch zum Einkaufen. Auch die Planung für Sonntag klingt verheißungsvoll: Der Ebbstrom beginnt erst am frühen Nachmittag, so dass wir die Auslaufzeit auf 1300 festlegen. Der Vormittag gehört also der Körperpflege und dem Müßiggang …
Der Schlag nach Helgoland beginnt entspannt: Wohlerholt, sauber und gut verpflegt machen sich sieben Köpfe und ein Boot auf die Reise. Bei 4 Beaufort und noch gemächlich auflaufendem Wasser geht es zwar nicht gerade rasant, aber doch zügig voran; Tonne um Tonne können wir eben gerade anliegen und hinter uns lassen. Als dann der Strom kentert und uns die erhoffte »Schiebung« zuteil werden lässt, scheint alles in bester Ordnung zu sein. Doch langsam, aber merklich frischt der Wind auf, bis er schließlich konstante 6 Stärken erreicht. Und uns eine klassische Wind-gegen-Strom-Situation beschert. Die Wellen, von keiner Landabdeckungng mehr gedämpft, werden höher und steiler, das Wasser scheint zu kochen – ein Vollwaschgang, der dem überwiegenden Teil der Mannschaft eine ordentliche Blümeranz verschafft.
Erfreulich bleibt einzig, dass wir das Ziel anliegen können. Zwar ist volle Höhe unter diesen Umständen nicht gerade der Wunschkurs, aber Kreuzerei wäre eben doch die noch deutlich unerfreulichere Variante. Außerdem kommt die X mit den Bedingungen erfreulich gut zurecht: Trotz flachem Unterwasserschiff geht sie gut durch die Welle und bleibt jederzeit steuerbar. Die Mannschaft hätte es auf einem Langkieler zweifellos angenehmer gehabt, und auch die erreichte Höhe ist nicht mehr der Rede wert – Gefühle der Unsicherheit kommen aber zu keinem Zeitpunkt auf.
Von einer ziemlich abgekämpften Crew werden am frühen Abend im Vorhafen von Helgoland die Segel geborgen und unter Maschine Kurs aufs Hafenbecken genommen; es ist bis auf ein paar wenige und gut verteilte Yachten völlig leer. So können wir bequem direkt am Steg anlegen, der während der Saison stets Zigfachpäckchen beherbergt. Pünktlich verkündet der Weltempfänger die erste Hochrechnung der heutigen Bundestagswahl – quod oder propter schmeckt das Bier nach diesem Schlag so gut wie lange nicht.
Später erfahren wir von unseren Stegnachbarn, dass gegen 1300 vom DWD tatsächlich noch eine Starkwindwarnung »Sieben« herausgegeben wurde; unser letzter Wetterbericht von 1105 hatte uns eine mäßige Vier versprochen …
kommerell.de » Segeln » Rund Dänemark 2005 | 24. 10. 2005 | Sitemap | Datenschutz | Impressum |